Artikel aus dem Haller Kreisblatt, 14.11.2015. Stadtpark oder Wohnungsbau? Für die Fläche hinterm Berufskolleg wird jetzt ein Bebauungsplan aufgestellt. Die Diskussion über die Zukunft des Areals soll in den kommenden Wochen ergebnisoffen geführt werden.
Wertvolle Flache: Verwaltung macht Druck
Stadtpark oder Wohnungsbau? Für die Fläche hinterm Berufskolleg wird jetzt ein Bebauungsplan aufgestellt. Die Diskussion über die Zukunft des Areals soll in den kommenden Wochen ergebnisoffen geführt werden
VON NICOLE DONATH
Halle. Der kleine Sitzungssaal im Rathaus war Donnerstagabend heillos überfüllt, Viele der über 50 interessierten Gäste zum Tagesordnungspunkt »Standortsuche stadtnahes Wohnen« — die meisten von ihnen Anhänger der Stadtpark-Initiative — mussten stehen.
Weit über eine Stunde hörten sie zu oder legten ihre Argumente dar. Ein paar Zwischenrufe gab es, Unmutsbekundungen ebenso — aber der ganz große verbale Schlagabtausch blieb aus, denn am Ende der Diskussion wurde die Entscheidung vertagt.
UWG und Grüne lehnten den von der Verwaltung favorisierten Geschosswohnungsbau auf der Grünfläche zwischen Berufskolleg und Bahnlinie ab. Die CDU — ohne einen Diskussionsbeitrag — und die SPD stimmten mehrheitlich dafür, in die frühzeitige Bürgerbeteiligung einzutreten: Im Zuge des Verfahrens könnten so die Argumente aller Beteiligten einfließen und erörtert werden, ehe man sich entscheide.
Damit haben die Befürworter des Stadtparks zumindest noch eine theoretische Chance, ihr Projekt zu verwirklichen. „Wir haben dringenden Handlungsbedarf, uns fehlen mehrere hundert Wohnungen — und das hat nicht allein mit der Flüchtlingssituation zu tun“, erläuterte Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann zunächst den Standpunkt der Verwaltung. „Und nachdem wir die Vorschläge von Stadtplaner Dirk Tischmann sorgfältig betrachtet haben, sind wir zu einem klaren Ergebnis gekommen: Das Gelände am Berufskolleg bietet die beste Lösung für Geschosswohnungsbau, es ist ideal. Allein für herkömmliche Wohnbebauung oder die Einrichtung eines Stadtparks ist die Fläche zu wertvoll, das können wir uns nicht leisten“, fuhr die Bürgermeisterin fort. „Und das ist keine Arroganz der Macht, sondern ein Abwägungsprozess.“
Wenn man hier bauen sollte, werde es aber selbstverständlich eine intelligente Planung mit Grünzonen geben und auch die Eichen sollen erhalten werden.
„Wir sollen nun innerhalb einer Woche entscheiden — das ist nicht einzusehen“
Jochen Stoppenbrink (Grüne) forderte, dass man die letzte große Grünfläche in der Stadt nicht bebauen solle und verwies auf Alternativen. Manfred Stockhecke (UWG) monierte den Zeitdruck, unter dem eine Entscheidung gefällt werden solle: „Es hat fast ein Jahr gedauert, bis das Büro Tischmann die Übersicht ausgearbeitet hatte, und wir sollen nun innerhalb einer Woche entscheiden — das ist nicht einzusehen. Ich finde keine Aussagen zu anderen Flächen.“ Karin Otte (SPD) wiederum stellte fest, dass sich der Fachausschuss schon mehrfach mit der Standortsuche befasst habe und man sich jetzt sehr wohl festlegen könne — Vielleicht sogar müsse, denn der Druck sei enorm.
Hartmut Lüker und Gisela Bültmann (Stadtpark-Initiative) zeigten sich enttäuscht, dass man sie nie angehört oder den Bedarf eines Stadtparks für Halle festgestellt habe, dass man nun derart schnell eine Entscheidung habe treffen wollen und ihr Vertrauen in Zusagen gestört sei. Der Skulpturenpark sei keine Alternative: „Der Stadtpark gehört hinters Berufskolleg.“
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Proppenvoll: Über 50 Bürger kamen Donnerstagabend ins Rathaus und verfolgten die Diskussion um die Zukunft der Flache hinterm Berufskolleg. FOTO: N. DONATH
KOMMENTAR
Standortsuche für stadtnahes Wohnen
Jetzt wird für die Fläche zwischen Berufskolleg und Bahnlinie also ein Bebauungsplan aufgestellt. Dieses Verfahren impliziert die zweistufige Bürgerbeteiligung, bei der alle Beteiligten ihre Wünsche, Anregungen und Bedenken äußern können. Und wenn alle Aspekte akkurat gegeneinander abgewogen wurden, fällt eine Entscheidung.
Nachdem die Verwaltung an die Politik appelliert hatte, auf diesem Areal Geschosswohnungsbau zu genehmigen und das möglichst umgehend, soll nun „ohne Vorgabe einer Zielrichtung“ bei der Standortsuche nach stadtnahem Wohnen noch einmal diskutiert werden, um dann erst über die Zukunft des Areals zu bestimmen.
Das mag sich alles sehr demokratisch anhören. Und natürlich kann man geteilter Meinung darüber sein, ob ein Stadtpark auf der Fläche hinterm Berufskolleg gut angesiedelt wäre oder nicht. Aber ganz unabhängig davon stellt sich die Frage, ob Hartmut Lüker und seine Anhänger nach den fast übermächtigen Argumenten, die die Verwaltung ins Feld geführt hat, tatsächlich noch eine realistische Chance haben — oder ob der Beschluss von CDU und SPD nicht eher ein hilfloser Versuch war, angesichts von mehr als 1000 Unterschriften zu beschwichtigen und den Geschosswohnungsbau am Ende doch zu genehmigen, aber dann immerhin sagen zu können: „Wir haben die Argumente der Stadtpark-Initiative gehört.“ Zugeben würde das niemand. Aber sollte es doch so sein, wäre es ehrlicher gewesen, wenn die Politik am Donnerstag eine Entscheidung getroffen hätte. So sieht
es nach Hinhaltetaktik aus.