Artikel aus dem Westfalen-Blatt, 30.1.2016. Verwaltung nimmt Vereinsheim-Antrag zum Anlass, um Verlagerung der Plätze südlich der Schule vorzuschlagen.
Sportflächen als Bauland?
Verwaltung nimmt Vereinsheim-Antrag zum Anlass, um Verlagerung der Plätze südlich der Schule vorzuschlagen
Von Stefan Küppers
Halle (WB). Monatelang hat die Stadtverwaltung den Bau eines Vereinsheims für den SC Halle zwischen den beiden großen Sportplätzen infrage gestellt. Jetzt ist klar geworden, warum: Die Verwaltung würde am liebsten die kompletten Sportanlagen auf die südliche Seite des Schulzentrums verlagern, um stattdessen auf dem Kunst- und Naturrasenplatz Wohnbebauung zu realisieren.
Die Sitzung des Planungsausschusses am Donnerstagabend war mit Spannung erwartet worden. Denn die Debatte um das Vereinsheim des SC Halle hatte sich mehr und mehr zu einem Politikum entwickelt. Endlich sollte Klartext geredet werden, nachdem von vorangegangenen Behördengesprächen nichts nach außen dringen durfte.
Der Vorstand des SC Halle hatte bisher immer erklärt, dass er sein Vereinsheim am liebsten zwischen dem Kunstrasen- und dem Naturrasenplatz platzieren würde. Bislang hatte die Verwaltung infrage gestellt, ob ein solches Heim an dieser Stelle schallschutztechnisch noch verkraftbar wäre. Jetzt wurde von Kreisbaudirektor Bernhard Bußwinkel offiziell bescheinigt: So wie der SC Halle in seiner Nutzungsbeschreibung sein Vereinsheim beantragt hat, wäre es auch unter Schallschutz-Gesichtspunkten genehmigungsfähig.
Der Chef der Kreisbaubehörde machte aber zu gleich deutlich, dass es an diesem Standort keinen Spielraum für irgendwelche Abweichungen von einer späteren Baugenehmigung gebe. »An diesem Standort ist alles sehr eng gestrickt. Wir haben nur ein Dezibel Luft«, hält Bußwinkel den Standort nördlich des Schulzentrums von der Schallbelastung für weniger zukunftsträchtig, als wenn ein Heim auf der Südseite der Schule entstünde. Wenn der SC Halle auf dem Nordstandort bestehe, würden die Absichtsbekundungen des Vereins auf Herz und Nieren durch die Baubehörde geprüft, kündigte Bußwinkel an: »Wenn da später einmal im Heim 40 Leute feiern würden, wäre das ein Verstoß gegen die Baugenehmigung.«
Schallschutzgutachter Klaus Brokopf vom Büro Akus bestätigte die Genehmigungsfähigkeit eines Vereinsheims zwischen den beiden Sportplätzen. »Was der Verein angibt, dort zu wollen, würde funktionieren«, sagte Brokopf und fügte hinzu: »Aber es gehört zu meinen beruflichen Erfahrungen, dass es wegen Vereinsheimen immer Ärger wegen Feierlichkeiten gibt.«
[ »Wenn im Vereinsheim mal 40 Leute feiern wollten, wäre das ein Verstoß gegen die Genehmigung.« / Berhard Bußwinkel / Kreisbaudirektor ]
Der Schallschutzgutachter rechnete stattdessen vor, dass eine Verlagerung eines Vereinsheims und auch der Sportstätten auf die Südseite des Schulzentrums bezüglich möglicher Lärmkonflikte mit der Nachbarschaft unkritisch sei. Hier seien die Abstände ausreichend. Was Fachbereichsleiter Jürgen Keil schließlich als Idee vortrug, das war für viele Zuhörer eine Überraschung. Der Leiter der Bauverwaltung will wegen der Lärmproblematik der Sportanlagen im Zuge der anstehenden Änderungen des Flächennutzungsplanes einen großen Wurf angehen, und dem stünde ein neu errichtetes Vereinsheim, für das immerhin 300 000 Euro im Haushaltsplan veranschlagt sind, im Wege. Keils Überlegungen sind weitgehend. So könnte der vom Verein gewünschte Hybridplatz, der auch im Winter bespielt werden kann, ganz neu auf der Südseite des Schulzentrums gebaut werden. Für eine Übergangszeit wären dann sogar drei Plätze verfügbar. Nach Keils Vorstellungen müsste sich der SC Halle zunächst mit einer Zwischenlösung fürs Vereinsheim begnügen, etwa mit einem angemieteten Containerbau. Auf Sicht könne dann der derzeit als Flüchtlingsunterkunft (44 Plätze) entstehende Bau an der Wasserwerkstraße als Vereinsheim in den Blick genommen werden.
Wenn dann schließlich eines Tages der Belag des Kunstrasenplatzes verschlissen ist, könne ein neuer Kunstra senplatz auf der Süd seite der Schule gebaut werden. So stünden im Norden schließlich 4,2 Hektar für eine Wohnbebauung auf städtischem Grund zur Verfügung. Eine Gegenfinanzierung hält Keil durch den Verkauf der Baugrundstücke für gewährleistet.
Der Vorschlag wurde mit Skepsis aufgenommen. So waren sich Vertreter von CDU, Grünen und auch der UWG einig, dass der SC Halle nach jahrelanger Wartezeit schnell ein Vereinsheim braucht. Man könne nicht darauf warten, dass die Flüchtlingsunterkunft eines Tages geräumt werden könne. Auch habe der erst vor fünf Jahren eingeweihte Kunstrasenplatz mehr als 750 000 Euro gekostet (Eigenanteil 150 000 Euro des SC Halle).
Die Vorstandsmitglieder des SC Halle, Wolfgang Rehschuh, Dr. Matthias Beich und Matthias Kamann, machten deutlich, dass sie im Sinne ihrer Mitglieder nicht länger auf ein Vereinsheim warten wollen. Der Vorstand ist sich einig, das Heim auf der Nordseite anzugehen, die Einschränkungen bei der Nutzung seien mit allen Abteilungen abgesprochen.
Bei der Sitzung in vier Wochen soll ein genehmigungsfähiger Bauantrag vorliegen, wobei Keil andeutete, dass aus Sicht der Verwaltung über die Höhe der Förderung noch diskutiert werden muss.
[BILD] Zwischen die beiden Sportplätze will der SC Halle sein Vereinsheim bauen. Das liegt den Stadtplanern in der Verwaltung quer. Sie schlagen wegen der Lärmsituation auf Sicht eine komplette Verlagerung der Sportanlage auf die Südseite des Schulzentrums vor. Foto: Fälker
[BILD] Jürgen Keil hat mit seiner Idee viele überrascht.
Haller Aspekte
Von Stefan Küppers
Zu viel Druck
Halles Kommunalpolitiker erleben derzeit ein Rathaus der zwei Geschwindigkeiten. Das eine Thema (Vereinsheim) soll ganz viel Zeit haben, beim anderen (Neubau Kita) wird mächtig Druck gemacht.
Was sich aus dem Antrag des SC Halle auf ein Clubheim an strategischen Überlegungen in der Verwaltung entwickelt hat, das ist gewiss eines der größten politischen Überraschungseier der vergangenen Jahre. Wer hätte schon gedacht, dass jemand auf die Idee kommen könnte, den neuen Kunstrasenplatz an der Masch gedanklich wieder abzureißen. In den Gedanken der Stadtplaner steht dieses 750 000 Euro teure Projekt schon wieder zur Disposition, weil mit der Verlagerung aller Sportanlagen auf die Südseite des Schulzentrums neues Bauland gewonnen werden könnte. Dass der SC Halle dieser Vision nun in die Quere kommt, mag die Planer ärgern. Doch wer lange herumdruckst und seine wahren Absichten verschleiert, muss sich nicht wundern, dass jetzt nicht alle »Hurra« rufen. Verwunderlich hingegen ist der Druck, der in Sachen neuer Kita entfacht wird. Hier soll ein geschätzt zwei Millionen Euro teures Projekt realisiert werden, ohne dass die Politik Zeit haben soll, mindestens mal die Standortfrage kritisch zu diskutieren. Angeblich bekommen ohne allerschleunigste Entscheidungen 80 Kinder demnächst keinen Platz mehr. Einerseits ist es merkwürdig, dass man in Halle von einem solchen Katastrophen-Szenario überrascht werden kann. Anderseits fragt man sich, warum ein solches Platzproblem nicht von den zwölf Kitas in Halle gemeinsam für eine Übergangszeit gelöst werden kann.
Nein, der politische Druck auf dem Haller Kessel wirkt angeheizt. Es ist wie im Geschäftsleben. Wenn ein Verkäufer bei einer teuren Sache richtig Druck macht, sollte ein kluger Käufer schon aus Eigenschutz störrisch werden.