Leserbrief aus dem Westfalen-Blatt, 12.12.2015. Es waren einmal einige Haller. Sie wünschten sich einen Stadtpark auf der freien Fläche hinter dem Berufskolleg. Doch Rat und Verwaltung hatten andere Pläne als die Stadtparkinitiative. Und so kam es, dass die Bürger gegen eine unsichtbare Wand liefen. Und dass man in Halle das Stadtparkmärchen erzählte.
Das Märchen vom Stadtpark
Es waren einmal einige Haller. Sie wünschten sich einen Stadtpark auf der freien Fläche hinter dem Berufskolleg. Doch Rat und Verwaltung hatten andere Pläne als die Stadtparkinitiative. Und so kam es, dass die Bürger gegen eine unsichtbare Wand liefen. Und dass man in Halle das Stadtparkmärchen erzählte:
Vor uralten Zeiten begab es sich in einer schönen Stadt, dass einige Zwerge einen Zauberwald ersonnen. Der sollte zur Besinnung und zum Lustwandeln zwischen alten Bäumen die Feen, Einhörner und Menschen anlocken. Und so alle Wesen miteinander und der Natur versöhnen.
Viele Menschen hörten dies und bekamen ein warmes Herz bei dem Gedanken daran. So wurde an die Königin der Stadt eine Bittschrift verfasst, dem Plan der Zwerge Gehör zu verschaffen.
Doch die Bärte wurden grau, die Jahre vergingen, und viel Zeit floss den Strom des Schicksals hinab. Dann eines Tages, man glaubte es kaum, lud die Königin ihre Vasallen, die Vertreter der Stände und ihre Untertanen zur Beratung. Die strenge Königin saß im Saal ihres Palastes auf einem großen Stuhl aus dem edelsten Ebenholze, von den besten Handwerkern des Landes gefertigt. Unter ihr im Sockel des Stuhles befand sich der Staatsschatz aus Gold, und darauf thronte sie, und sie hütete ihn wie ihre Augäpfel. Denn sie liebte den Schein des Goldes und hatte viel Angst vor Räubern und Dieben. Auch war sie, so flüsterte man, sehr sehr sparsam.
Bei der Versammlung saßen der Hofmarschall und die Vasallen zur Linken und Rechten neben ihr. Und davon ab die Vertreter der Stände an einem großen Tische. Das Volk und die Zwerge mussten davor stehen.
Nun gefiel es der Königin aber, lieber Häuser zu bauen statt des Zauberwaldes, denn sie hatte gehört, dass vieles Neuvolk auf dem Weg in die Stadt war, um sich dort nieder zu lassen. Als einige sagten, es sei doch viel gewitzter, die Häuser um die Stadt herum zu bauen und den Zauberwald dazu, gab es ein großes Raunen, ein Keifen und Verhöhnen der Zwerge durch die Vertreter der Stände. Einige Vertreter von ihnen blickten aber nur betroffen zu Boden und schwiegen dazu.
Denn, liebe Kinder, müsst ihr wissen, der Hofmarschall hatte bereits im Geheimen die Steine für die Häuser bestellt. Um das Volk nicht zu erzürnen wurde abgestimmt, ob nun denn ein Zauberwald oder an der Stelle die Häuser sein sollten. Da neigten sich die Häupter der Stände zur Königin und der Bau wurde beschlossen.
Den wenigen Aufrechten unter ihnen, die wohl die Stimme im Herzen des Volkes erhört hatten, wurde nur Spott zuteil. So wurde der Garten zerstört, und die neuen Häuser mit einer hohen Mauer versehen, so dass nicht einmal ein Blick einen Grashalm auf der Weide pflücken konnte. Die Zwerge verschwanden, keine Fee, kein Einhorn fand je mehr in die Stadt und eine traurige Ödnis von Stein tat sich auf.
Als die Leute dies sahen, weinten die Königin, ihr Hofstaat und das Volk schwarze Tränen zusammen, und sie bereuten ihre Kurzsicht bitterlich. Denn die Natur lässt sich nicht überlisten. Viele hofften auf die Rückkehr der Zwerge. Doch die Weisen sagen: »Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.«
GISELA BÜLTMANN
HARTMUT LÜKER
KAI THÖNE
(alle 33790 Halle)