»Kei­ne neu­en Töp­fe aufmachen«

Arti­kel aus dem West­fa­len-Blatt, 7.1.2017. Bür­ger­meis­te­rin sagt, was im Jahr des Rekord­de­fi­zits noch geht und was nicht mehr.

»Kei­ne neu­en Töp­fe aufmachen«

Bür­ger­meis­te­rin sagt, was im Jahr des Rekord­de­fi­zits noch geht und was nicht mehr

Von Ste­fan Küppers

Hal­le (WB). Mitt­ler­wei­le ist sie 17 jah­re als Hal­ler Bür­ger­meis­te­rin im Dienst. Doch mit einem geplan­ten Minus von mehr als 21 Mil­lio­nen Euro ist Anne Roden­b­rock-Wes­sel­mann noch nie in ein neu­es Haus­halts­jahr gegan­gen. Und weil die Hal­ler in den Vor­jah­ren sol­che Beträ­ge eher auf der Haben­sei­te wahr­nah­men, hat sich ein gewis­ses Anspruchs­den­ken ent­wi­ckelt. Das aber kann so nicht mehr erfüllt werden.

Die Ver­wal­tungs­chefin betont im Gespräch zum Jah­res­wech­sel, dass sie es nach wie vor für rich­tig hält, dass kei­ne schar­fen Spar­an­stren­gun­gen im Bereich der frei­wil­li­gen und sozia­len Leis­tun­gen unter­nom­men wur­den. »Spa­ren bei den frei­wil­li­gen Leis­tun­gen ret­tet die­sen Haus­halt nicht. Die­se Leis­tun­gen aber spürt der Bür­ger ganz kon­kret. Bei Kür­zun­gen wäre mir der Preis zu hoch. Da befür­wor­te ich lie­ber die Steu­er­erhö­hung, auch mit Blick auf die kom­men­den Haushalte.«

Doch einem wei­te­ren Anspruchs­den­ken nach dem Mot­to »Die Stadt Hal­le kann das schon« will die Bür­ger­meis­te­rin einen Rie­gel ver­schie­ben. »Neue Töp­fe dür­fen nicht auf­ge­macht wer­den.« Und sie benennt ein Bei­spiel, was die­se Ansa­ge poli­tisch heißt: »Einen Stadt­park am Berufs­kol­leg wer­de ich nie befür­wor­ten. Den Erwerb von Park­flä­chen, für die wir Wohn­bau­prei­se zah­len müss­ten, kön­nen wir uns in Hal­le nicht leisten.«

Gleich­wohl wen­det die Stadt Hal­le auch wei­ter­hin erheb­li­che Mit­tel für Grund­stücks­käu­fe auf, wenn sie als wich­tig und stra­te­gisch not­wen­dig erach­tet werden.

Das betrifft zum Bei­spiel Acker­flä­chen an der Taten­hau­se­ner Stra­ße, die in eini­gen Jah­ren mal als Erwei­te­rungs­ge­biet des inter­kom­mu­na­len Gewer­be­ge­biets Raven­na-Parks die­nen könn­ten und die der Stadt ange­bo­ten wer­den sind. Wes­sel­mann: »Ein neu­es Gewer­be­ge­biet dort bleibt aber nach wie vor nur eine Opti­on. Die Grund­stücks­käu­fe bedeu­ten also kei­ne Vor­ent­schei­dung, son­dern nur dass wir uns als Stadt unse­re Hand­lungs­fä­hig­keit bewah­ren. Auch unse­re Grund­stücks­käu­fe an der B68 sind stra­te­gi­scher Art. Wir wol­len da was ent­wi­ckeln und nicht dar­auf sit­zen bleiben.«

2017 wird vor allem im Zei­chen eines neu­en Stadt­ent­wick­lungs­kon­zep­tes ste­hen, für das die Bür­ger­meis­te­rin eine brei­te Bür­ger­be­tei­li­gung erhofft: »Ich set­ze dar­auf, dass sich nicht nur ein­zel­ne, inter­es­sier­te Grup­pen ein­brin­gen.« Neue Bebau­un­gen an der Orts­durch­fahrt sind dabei eben­so von Bedeu­tung wie die Ent­wick­lung der »rech­ten Herz­kam­mer von Hal­le« wie die Bür­ger­meis­te­rin das zu über­pla­nen­de Are­al zwi­schen Rosen- und Mar­tin-Luther-Stra­ße nennt. Dass dort end­lich ein Dro­ge­rie­markt ange­sie­delt wer­den kön­ne, sieht sie als nur einen Aspekt an. Wenn hier ein neu­er Magnet ent­ste­he, kön­ne das der Geschäfts­welt in der gan­zen Innen­stadt helfen.

 

[Wes­sel­mann zur Schaf­fung von neu­em Bauland]

»Wir brau­chen drin­gend neue Wohnungen«

Wenn ein The­ma nach Auf­fas­sung der Bür­ger­meis­te­rin 2017 ganz oben auf der Agen­da ste­hen soll­te, dann ist es die Schaf­fung von Wohn­raum. »Dar­an man­gelt es uns ins­ge­samt, gera­de aber auch an grö­ße­ren Miet­woh­nun­gen für Fami­li­en«‚ hört Anne Roden­b­rock-Wes­sel­mann vie­le Hil­fe­ru­fe. »Des­halb müs­sen wir mit den Bebau­ungs­plä­nen für den Gart­nisch­kamp oder den Sand­kamp vor­an kom­men«, betont sie. Für das künf­ti­ge Bau­ge­biet Gart­nisch­kamp (etwa 100 Bau­plät­ze, Grün­flä­che rechts im Bild) lie­gen mehr als 250 Anfra­gen vor. Ob hier auch eine Kli­ma­schutz­sied­lung rea­li­siert wer­den kann, wie vom Rat beschlos­sen, müs­se man abwar­ten, so die Bür­ger­meis­te­rin. Denn mög­li­cher­wei­se sei die Stadt gar nicht selbst im Besitz der Flä­chen, die für ein sol­ches Pro­jekt tat­säch­lich geeig­net sind. Den Bau einer wei­te­ren Lärm­schutz­wand wie am gegen­über lie­gen­den Bau­ge­biet Wei­den­kamp (links im Bild) lehnt sie übri­gens ab. »Das wür­de auf dem Kün­se­be­cker Weg einen Tun­nel­ef­fekt erzeu­gen«, sagt die Bürgermeisterin.

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Foto: Ulrich Fälker

 

[Die Bür­ger­meis­te­rin über Schu­len und Sportplätze]

»Nach­fra­ge nach gebun­de­nem Ganz­tag wird steigem«

Auf­grund des Rekord­de­fi­zits ist auch im Schul- und Sozi­al­be­reich so man­che Inves­ti­ti­on aus dem Bereich »kann und soll« in die Kate­go­rie »kann war­ten« ver­scho­ben wor­den. Dazu gehört zum Bei­spiel der vor­ge­zo­ge­ne Neu­bau eines Kunst­ra­sen­plat­zes süd­lich des Schul­zen­trums Masch. Der war ins Gespräch gekom­men, da ohne­hin die bei­den bestehen­den Sport­plät­ze per­spek­ti­visch an die Süd­sei­te ver­legt wer­den sol­len. Um die­se Ver­le­gung rea­li­sie­ren zu kön­nen, habe die Stadt kürz­lich dafür noch feh­len­de Grund­stü­cke erwor­ben, infor­miert die Bür­ger­meis­te­rin. Bekannt­lich soll nörd­lich der Schu­le ein Wohn­ge­biet ent­wi­ckelt wer­den. Doch solan­ge der Kunst­ra­sen­platz noch nicht ver­schlis­sen ist, soll auch noch kein neu­er gebaut werden.

Neu­er Kunst­ra­sen­platz an der Masch ist doch erst spä­ter geplant.

Auch bei der Grund­schu­le Gart­nisch kann nicht sofort jeder Bau­wunsch in Sachen Räu­men für die Offe­ne Ganz­tags­schu­le (OGS) erfüllt wer­den. Da braucht es erst ein Gesamt­kon­zept. Die Bür­ger­meis­te­rin ist froh, dass für die direkt benach­bar­te För­der­schu­le mit dem Kreis ein Kon­zept gefun­den wur­de, das den För­der­schul­stand­ort hof­fent­lich auch dau­er­haft sichern kann. Die Stadt ist mitt­ler­wei­le allei­ni­ger Eigen­tü­mer der Gebäu­de und ver­mie­tet an den Kreis als Schul­trä­ger. Dem­nächst, so die Bür­ger­meis­te­rin, wer­de das Lehr­schwimm­be­cken für eine schu­li­sche und öffent­li­che Nut­zung wie­der freigegeben.

Für die vier Grund­schul­stand­or­te zeigt sie sich zuver­sicht­lich, dass sie auch auf Dau­er erhal­ten wer­den kön­nen. Dass für die Grund­schu­len im Haus­halts­plan ein ope­ra­ti­ves Ziel for­mu­liert wur­de, dass bei ent­spre­chen­der Lan­des­för­de­rung statt der OGS ein gebun­de­ner (ver­pflich­ten­der) Ganz­tag ein­ge­führt wer­den soll, hält sie für fol­ge­rich­tig. Nicht nur weil Eltern dann kei­ne OGS-Bei­trä­ge mehr zah­len müss­ten. »In Kin­der­gär­ten zeigt sich, dass immer mehr Eltern län­ge­re Betreu­ungs­zei­ten für ihre Kin­der wün­schen. Die­se Eltern wer­den auch spä­ter in der Schu­le Bedarf anmel­den. Des­halb wer­den gebun­de­ne Ganz­tags­an­ge­bo­te irgend­wann kom­men«, sagt Wes­sel­mann. Doch der­zeit habe das Land kein Geld dafür vorgesehen.

Mit dem Bau der neu­en Kita am Kün­se­be­cker Weg, der bis Herbst abge­schlos­sen sein soll, sieht die Bür­ger­meis­te­rin einen wich­ti­gen Mei­len­stein in der Ver­sor­gung mit Kita-Plät­zen für Hal­le. Dass älte­re Kitas so über­flüs­sig wer­den könn­ten, fürch­tet sie nicht

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Mit der Fäl­lung von Bäu­men sind Vor­be­rei­tun­gen für den Kita-Bau am Kün­se­be­cker Weg getrof­fen wer­den. Fotos (2): Küppers

 

[»Allee­stra­ße gehört in ein Tempo-30-Konzept«]

Die Debat­te um die flä­chen­de­cken­de Ein­füh­rung von Tem­po 30 war einer der poli­ti­schen Auf­re­ger des ver­gan­ge­nen Jah­res. Die Bür­ger­meis­te­rin glaubt nicht dar­an, dass das The­ma wie­der so hoch­ko­chen wird. »Wir wer­den ganz sach­lich blei­ben und die nöti­gen Ver­än­de­run­gen quar­tiers­wei­se ange­hen«, sagt sie. Ein (ver­kehrs­be­ru­hig­ter) Umbau der Allee­stra­ße soll nun doch schnel­ler ange­gan­gen wer­den, als ursprüng­lich gedacht, weil das Land NRW über­ra­schend schon För­der­mit­tel dafür bereit gestellt habe, infor­miert sie. Aus ihrer Sicht gehört Tem­po 30 auf der Allee­stra­ße »selbst­ver­ständ­lich« zu einem Nah­mo­bi­li­täts­kon­zept. Auch eine dau­er­haf­te Sper­rung des Rat­haus­vor­plat­zes für den Durch­gangs­ver­kehr befür­wor­tet sie wei­ter­hin. Aber viel­leicht kön­ne man das auch ver­schie­ben, bis in eini­gen Jah­ren mit der beid­sei­ti­gen Öff­nung der Gra­ebe­stra­ße auch eine wei­te­re Zufahrt zum Markt­kauf mög­lich sei, meint Anne Wesselmann.

 

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Bür­ger­meis­te­rin Anne Roden­b­rock-Wes­sel­mann muss mit einem Haus­halts­de­fi­zit von geplant fast 22 Mil­lio­nen Euro das Jahr 2017 bewäl­ti­gen. Dem WB sagt sie, war­um sie gegen einen har­ten Spar­kurs ist und wor­in unbe­dingt in Hal­le trotz­dem inves­tiert wer­den muss.

 

Kom­men­tar der Stadt­par­kin­itia­ti­ve: Siehe mar­kier­te Text­stel­len.

Wir wis­sen nicht was „Wohn­bau­prei­se“ sind …, aber wir wis­sen genau, dass die Stadt Hal­le die Pla­nungs­ho­heit für das Gelän­de am Berufs­kol­leg hat. Durch die Auf­stel­lung eines Bebau­ungs­plans, der dort ein Wohn­ge­biet vor­sieht, ver­än­dert sich selbst­ver­ständ­lich auch die Höhe des Prei­ses für das Gelän­de dras­tisch nach oben.