Die Wei­ten des Wachstums

Arti­kel aus dem Hal­ler Kreis­blatt, 03.12.2015. Wirt­schafts­po­li­tik: Bei den Haus­halts­plan­be­ra­tun­gen ent­wi­ckelt sich plötz­lich eine Grund­satz­de­bat­te. Kern­fra­ge: Wo lie­gen die Gren­zen des Flä­chen­ver­brauchs in Halle?

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Die Wei­ten des Wachstums

Wirt­schafts­po­li­tik: Bei den Haus­halts­plan­be­ra­tun­gen ent­wi­ckelt sich plötz­lich eine Grund­satz­de­bat­te. Kern­fra­ge: Wo lie­gen die Gren­zen des Flä­chen­ver­brauchs in Halle?

VON MARC UTHMANN

Hal­le. Die Dis­kus­si­on kam wie aus dem Nichts und doch spie­gel­te sich in ihr das Dilem­ma wider, in dem Hal­le steckt. Die Mit­glie­der des Bau- und Ver­kehrs­aus­schus­ses woll­ten nur die Pos­ten des Haus­halts­plan­ent­wurfs für 2016 abha­ken — und plötz­lich strit­ten sie um die grund­sätz­li­che Aus­rich­tung der Wirtschaftspolitik.

Raven­na-Park

Das Zünd­holz für die Debat­te lie­fer­te Die­ter Jung von den Hal­ler Grü­nen. Er bean­trag­te, die ein­ge­plan­ten Mit­tel zur Erschlie­ßung eines wei­te­ren Abschnit­tes für das Gewer­be­ge­biet Raven­na-Park kom­plett zu strei­chen. Dabei hat­te Eck­hard Hoff­mann von der Stadt­ver­wal­tung zuvor noch berich­tet, dass die Erschlie­ßung 2016 und 2017 nur 230 000 statt 530 000 Euro kos­ten wer­de. Grund: Eine Gas­lei­tung muss anders als geplant doch nicht ver­legt wer­den. Doch Jung ging es nicht ums Geld: „Wir gehen mit den Flä­chen um, als sei­en sie unend­lich. Es reicht für uns!“ Wie­der ver­schwan­den fünf Hekt­ar — dabei habe die Bezirks­re­gie­rung einst dem Raven­na-Park nur zuge­stimmt, wenn die­se Flä­che frei bliebe.

Jür­gen Keil, all­ge­mei­ner Ver­tre­ter von Bür­ger­meis­te­rin Anne Roden­b­rock-Wes­sel­mann, hielt dage­gen: „Wir haben damals schon die Ent­wick­lung der gesam­ten Flä­che bean­tragt — übri­gens auch mit Ihren Stim­men“, sag­te er in Rich­tung der Grü­nen. „Jetzt set­zen wir einen Beschluss des Rates um — und wir haben nun auch ein Gut­ach­ten, das belegt: Das angren­zen­de Was­ser­schutz­ge­biet wür­de durch eine Erwei­te­rung nicht beein­träch­tigt.“ Man habe die Flä­che erwor­ben, um sie zu ent­wi­ckeln, so Keil. „Da gibt es auch Part­ner aus Wert­her und Güters­loh. Denen kön­nen wir ja jetzt nicht sagen: „April, April!“ Tho­mas Tap­pe von der CDU ver­such­te, die Debat­te zu ent­schär­fen: „Wir stim­men für die Erwei­te­rung. Aber wir sind mitt­ler­wei­le auch so weit, zu sagen: Bei künf­ti­gen Ent­wick­lun­gen brau­chen wir Augen­maß.“ Ste­fan Gor­ni­kie­wicz von der SPD gab sich prag­ma­tisch: „Wenn wir irgend­wo eine Chan­ce auf Ent­wick­lung haben, dann hier.“ Und eben die­se Sicht­wei­se behag­te den Grü­nen nicht: „Die glei­chen Argu­men­te hören wir bei der nächs­ten Flä­che auch, die ver­sie­gelt wer­den soll“, warf Micha­el Bru­ne ein. Der Antrag der Grü­nen wur­de trotz­dem bei nur zwei Jastim­men abgelehnt

Berufs­kol­leg

Bei den Haus­halts­mit­teln für den Bebau­ungs­plan süd­lich des Berufs­kol­legs ging die Debat­te wei­ter. „Dass wir hier eine Bebau­ung ein­pla­nen, ist doch nicht ergeb­nis­of­fen. Dabei ist beschlos­sen wor­den, dass wir über Alter­na­ti­ven dis­ku­tie­ren“, bemän­gel­te Die­ter Jung und bean­trag­te eben­falls die Strei­chung der Mit­tel in Höhe von 430 000 Euro für 2016 und 2017.

Hin­ter­grund ist der poli­ti­sche Kom­pro­miss, dass die alter­na­ti­ve Gestal­tung einer Grün­flä­che zumin­dest wei­ter dis­ku­tiert und die Öffent­lich­keit inten­siv betei­ligt wer­den soll. „Wir müs­sen aber hand­lungs­fä­hig blei­ben — der Pro­zess ist doch ergeb­nis­of­fen“, ent­geg­ne­te Bür­ger­meis­te­rin Anne Roden­b­rock-Wes­sel­mann. Jür­gen Keil warf den Grü­nen Rea­li­täts­fer­ne vor: „Hier nicht und da nicht. Über­haupt kein Wachs­tum mehr — da ver­schlie­ßen Sie doch die Augen vor der Wirk­lich­keit.“ Auch die­ser Antrag der Grü­nen wur­de abge­schmet­tert — die grund­sätz­li­che Fra­ge­stel- lung aber stand im Raum.

KOMMENTAR

Hal­ler Erwei­te­rungs­pla­ne / Zeit für eine Wei­chen­stel­lung / VON MARC UTHMANN

Von Rea­lis­mus waren die Vor­stö­ße der Grü­nen nicht geprägt. Es waren Schau­fens­ter­an­trä­ge, um ein Zei­chen zu set­zen. Dass sich den­noch eine halb­stün­di­ge Debat­te ent­spann, zeigt, wie sen­si­bel das The­ma Gren­zen des Hal­ler Wachs­tums mitt­ler­wei­le behan­delt wird. Selbst die CDU spricht von „Augen­maß“ bei der künf­ti­gen Ent­wick­lung, alle Par­tei­en wis­sen, wie sehr die der­zei­ti­gen Umbrü­che die Bür­ger belas­ten. Den Flä­chen­ver­brauch in Hal­le per Beschluss aus­zu­set­zen, wäre wirt­schafts­po­li­tisch frag­los das fal­sche Signal. Doch dass ein Kon­zept, die Stadt lang­fris­tig lebens­wert zu erhal­ten, von­nö­ten ist, hat die Dis­kus­si­on ein­mal mehr bewiesen.

[BILD]

Par­ken bis zum Hori­zont: Die impo­san­te Außen­an­la­ge der Out­lets im Raven­na-Park sym­bo­li­siert auch den Flä­chen­ver­brauch. FOTO: H. GONTEK